Täglich verursacht die Weltbevölkerung etwa 3,5 Millionen Tonnen Müll. Experten prognostizieren, dass sich diese Menge bis 2025 verdoppeln wird. Die massiven Abfallberge haben bereits jetzt erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt: riesige Abfallfelder treiben in den Ozeanen und Müllverbrennungsanlagen setzen kontinuierlich Schadstoffe frei. Doch was wäre, wenn dieser Müll sinnvoll genutzt werden könnte? Diese Frage stellte sich 1971 der amerikanische Architekt Michael Reynolds, als er den ersten Prototyp eines Hauses baute, das später als Earthship bekannt wurde. Dieses Haus bestand aus alten Bierdosen und wurde in der Wüste von New Mexico errichtet.
Ursprung und Vision des Earthships
Michael Reynolds, der mit seinem markanten Aussehen und unkonventionellen Ideen Aufsehen erregte, bezeichnete seine Recycling-Ökohäuser poetisch als „Earthship“. Er sah sie als „Schiffe, die auf dem stürmischen Ozean der Zukunft nicht untergehen“. Trotz anfänglicher Skepsis hat Reynolds seit dem Bau des ersten Earthships über 2.000 Projekte realisiert. Zusätzlich wurden mehr als 1.000 Earthships nach seinem Vorbild gebaut.
Autarkes Wohnen im Earthship
Bauweise und Materialien
Die grundlegende Bausubstanz eines Earthships besteht aus Wohlstandsmüll. Die Wände werden meist aus alten Autoreifen errichtet, die mit Erde gefüllt und anschließend verputzt werden. Die Südfassade besteht aus einer großen Glasfront, die Sonnenwärme absorbiert. Die massive Wandstruktur speichert diese Wärme über Wochen hinweg, wodurch eine zusätzliche Heizung überflüssig wird.
Versorgungssysteme
Die Earthships sind auf die völlige Autarkie ihrer Bewohner ausgelegt. Zur Warmwasserversorgung wird Regenwasser auf dem Dach gesammelt und in einer Zisterne gespeichert. Dieses Wasser wird bis zu viermal im Wasserkreislauf des Hauses genutzt, wobei ein speziell angelegtes Blumenbeet Verunreinigungen herausfiltert.
Die Stromversorgung erfolgt in der Regel über Photovoltaikanlagen. In Regionen mit wenig Sonnenschein können auch Kleinwindkraftanlagen eingesetzt werden. Eine elektrische Lüftungsanlage ist meist nicht erforderlich. Durch Öffnen der Oberlichter strömt kalte Luft ins Innere, während warme Luft nach oben steigt und durch die Fenster abgeführt wird.
Kosten eines Earthships
Der Bau eines Earthships kann je nach Modell und Ausstattung zwischen 200.000 und 500.000 Dollar kosten. Obwohl dies viel erscheinen mag für ein Haus, das hauptsächlich aus Müll besteht, fallen keine laufenden Kosten für Energie, Wasser oder Heizung an.
Michael Reynolds verkauft mit seinem Unternehmen Earthship Biotecture Baupläne für seine Häuser. Diese Pläne kosten zwischen 1.000 und 8.000 Dollar. Der Bau kann entweder von Reynolds selbst oder einem von ihm ausgebildeten Architekten durchgeführt werden. Ein interessanter Aspekt seiner Philosophie ist, dass Reynolds den Bau nicht allein des Geldes wegen übernimmt: „Ich mache es nur nicht, wenn es nur für Geld ist.“ Das bedeutet, dass Interessenten neben dem nötigen Kapital auch die Überzeugungskraft benötigen, Reynolds für ihr Projekt zu gewinnen.
Herausforderungen und Akzeptanz
Baurechtliche Hürden
In vielen Ländern, darunter auch Deutschland, steht das Earthship-Konzept vor baurechtlichen Herausforderungen. Die Bauvorschriften sind oft nicht auf unkonventionelle Bauweisen wie Earthships ausgerichtet. Genehmigungsverfahren können komplex und zeitaufwendig sein, da die verwendeten Materialien und autarken Versorgungssysteme nicht den üblichen Standards entsprechen.
Gesellschaftliche Akzeptanz
Trotz dieser Hürden findet das Earthship-Konzept weltweit zunehmende Akzeptanz. Die Vorteile, die ein autarkes und nachhaltiges Leben bieten, sprechen viele Menschen an, die nach alternativen Wohnformen suchen. Die mediale Aufmerksamkeit für Projekte wie Earthships trägt dazu bei, das Bewusstsein für umweltfreundliches Bauen und Leben zu schärfen.
Fazit
Earthships bieten eine innovative und nachhaltige Wohnform, die Müll in wertvolle Baumaterialien verwandelt. Durch die autarken Versorgungssysteme und die Nutzung von Wohlstandsmüll tragen Earthships zur Reduktion von Abfall und zur Schonung natürlicher Ressourcen bei. Trotz baurechtlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen zeigen die zahlreichen realisierten Projekte, dass dieses Konzept weltweit Anklang findet. Michael Reynolds hat mit seinen Earthships einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung umweltfreundlicher und autarker Wohnformen geleistet, die auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen könnten.